Klappern gehört zum Handwerk

Warum die Strategie Buy & Hold doch funktioniert

Autor: Leon L. Bensch

zuletzt aktualisiert am 29. April 2023

Symbolbild: Wer nur einen Hammer hat, hält jedes Problem für einen Nagel. (adobe.stock.com: Andriy)

Das Problem bei Informationen über Geldanalagen und Investitionen in Aktien auf Online-Plattformen ist, dass es eine Menge professionelle Ratgeber, Finanzanalysten und Hobbyanleger gibt, die täglich und teilweise stündlich etwas schreiben resp. posten (müssen). Wer viel schreibt, bekommt viel Aufmerksamkeit. Doch Aufmerksamkeit und Inhalt sind oft zwei verschiedene Paar Schuhe.

Die größte Aufmerksamkeit erhalten Artikel mit den emotionalsten Überschriften, und nicht die mit den wertvollsten Informationen. Wer zu viel von alledem liest und sich verunsichern lässt, wird am Ende nicht wissen, welche Aktien und/oder ETFs die richtigen für die eigene Geldanlage sind.


Dabei sind die Grundlagen jeder erfolgreichen Investition in Aktien auf ziemlich genau 5 Punkte beschränkt: (1) die (außergewöhnlich) hohe Qualität des Unternehmens, (2) ein fair bewerteter Preis der Aktien, (3) der Zeitpunkt des Kaufs, (4) die Höhe der Investition sowie (5) die Länge der Haltedauer.

 

Die Nachrichten suggerieren einem in möglichst kurzer Zeit den höchstmöglichen Gewinn zu machen, weil alle anderen das scheinbar auch tun. Natürlich ist das völlig unrealistisch, aber sich selbst rational zu verhalten und sich von vielen Nachrichten zu distanzieren, ist der schwierigste Teil eines guten Anlegers.

 

Bei der Strategie Buy & Hold ist die Haltedauer im besten Fall forever. Tägliche Berichte über immer ein und dieselben Unternehmen und Themen, über Branchen, über Trends und Hypes, sogenannte Geheimtipps, Depotumschichtungen, technische Indikatoren usw., versuchen bei uns Lesern eine Art von aktuellem Börsenwissen zu erzeugen, mit dem wir einen Vorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern haben. Den haben wir aber nicht, sondern wir werden lediglich ermuntert, unsere Aktien zu verkaufen um dafür vermeintlich vielversprechendere Aktien zu kaufen. Ich betrachte die täglichen Börsennews wie einen riesigen Rummelplatz, den ich mir gern ansehe, aber mich in kein einziges Fahrgeschäft hineinsetze, und möge es noch so schnell fahren.

Viel Lärm um nichts

Letztens fiel mir ein Artikel von boerse-online.de auf, der 3 Gründe über Warren Buffetts Strategie Buy & Hold aufzeigt und warum sie nicht funktioniert. Die genannten Gründe sind, dass (1) Privatanleger oft auf wenige Einzelwerte setzen und ihr Portfolio nicht ausreichend diversifizieren und damit der durchschnittlichen Marktrendite hinterherlaufen, (2) dass Privatanleger bei Crashs in Panik geraten und im ungünstigsten Moment ihre Aktien verkaufen, und schließlich (3) weil es Privatanleger an Disziplin mangelt, die Strategie Buy & Hold, die ihren wahren Erfolg erst nach mehreren Jahren entfaltet, durchzuhalten. Am Ende wies der Autor zumindest darauf hin, dass für alle Anleger, die resistent gegen diese genannten Risiken sind, Buy & Hold doch die richtige Strategie sein könnte.

Crash-Propheten

Ähnliches las ich über Investor Michael Burry, der den Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes 2008 vorhergesagt hatte und damit Kultstatus erlangte. Am 31. Januar 2023 riet er seinen Anhängern über Twitter im Rahmen einer Crash-Warnung alles zu verkaufen. Als Grund nannte er die riesige Entlassungswelle der großen Tech-Konzerne Alphabet, Amazon, Microsoft, Meta, die sinkenden Gewinne der Unternehmen und die hohe Inflation. Viele Ökonomen rechnen noch in diesem Jahr mit einer Rezession der US-Wirtschaft. Burrys düstere Prognose traf vorerst nicht ein. Zwei Monate später im April gab er zu, dass seine Warnungen vor einem Abschwung am Aktienmarkt zu Beginn des Jahres nicht korrekt waren. „I was wrong to say sell“, schrieb Burry auf Twitter.

 

Kurzfristiges Denken führt zu kurzfristigem Handeln und im Endeffekt zu realisierten Verlusten. Wer eines Tages finanziell unabhängig sein möchte, sollte auf tagesaktuelle Kauf- und Verkaufsempfehlungen nicht hören. Depots umzuschichten, also raus aus Tech-Aktien und rein in Value-Aktien, heißt nichts anderes, als dass mit den Gebühren, die für Aktienverkäufe und -käufe anfallen, jemand anderes reich wird, nur man selbst nicht.

 

Das soll natürlich nicht heißen, dass es in diesem Jahr nicht doch noch zu einem Crash an den Aktienmärkten kommen könnte oder dass die Kurse die Rezession bereits eingepreist haben und der Bärenmarkt beendet ist. Vorhersagen von wem auch immer über bevorstehende Crashs oder steigende Kurse sind keine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für uns Privatanleger beim Kauf von Aktien oder ETFs für unseren Vermögensaufbau. Ein Crash kommt immer zu einem Zeitpunkt, wenn es niemand erwartet.

Wo bleibt der Optimismus?

Ebenso verwundert las ich einen (von vielen) Artikeln auf stock3.de, der konstatierte, dass die nächsten 10 Jahre magere Jahre für Aktienbesitzer werden. Wenn magere Jahre an der Börse heißt, dass die Rendite pro Jahr nur bei 7% liegt, dann wäre das immer noch besser, als Geld auf dem Girokonto oder für 2,5% auf dem Tagesgeldkonto liegen zu lassen. Eine Rendite von 5% p.a. wäre in der Tat sehr mager, aber die Quintessenz des Artikels bezieht sich auf die nächsten 10 Jahre – eine Prognose, die so klingt, als würde ich meinem Leben eine 10jährige Leidensphase verordnen, nur weil die Dinge gerade so sind wie sie sind.

 

Wo bleibt das Positive? Wo sind die Zeitgeister, die optimistisch in die Zukunft blicken? Ein bisschen mehr Vertrauen in die Zukunft würde der Menschheit aus Prinzip guttun. Nicht weil dann automatisch alles gut werden wird und alle Aktien steigen, sondern weil Optimisten Zukunftsperspektiven entwickeln für eine gerechtere und bessere Welt in allen Belangen, wohingegen Pessimisten und Journalisten die Welt vor lauter Bad News nicht mehr sehen (können oder wollen). Perfekt wird alles niemals sein, aber die Richtung muss stimmen.

Zahlen sind die Sprache des Geschäfts

Natürlich werden die kommenden 10 Jahre alles andere als langweilig und mager. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern für jeden von uns persönlich. Nur wissen kann es niemand. Niemand weiß, wann der Krieg in der Ukraine enden wird? Oder ob China Taiwan in Frieden leben lässt. Oder ob es zur Klimarettung ausreicht, wenn Deutschland seine Atomkraftwerke abschaltet, aber alle anderen Länder dieser Erde nicht. Aus diesem Nichtwissen heraus lässt sich keine Investitionsentscheidung treffen. Was also tun? Warten bis die Katastrophe da ist? Oder warten bis sie vorbei ist? Warten bis der Crash allen Crashpropheten bewiesen hat, wie gut sie die Zukunft vorhersagen konnten? Und was, wenn die Katastrophe ausbleibt?

 

Ich habe eine bessere Idee. Wer sich mit Aktien und/oder ETFs ein Vermögen aufbauen möchte, muss selbstständig denken. Wer selbständig denken will muss sich auch dann wohlfühlen, wenn er mit seiner Meinung allein dasteht. Also sollten wir gerade bei Aktieninvestments die (Fundamental-)Daten der Unternehmen nutzen, die uns aus der Vergangenheit zur Verfügung stehen. „Zahlen sind die Sprache des Geschäfts“, lautet eine von Warren Buffetts Börsenweisheiten. Erfolgreiche Unternehmen mit erfolgreichen Geschäftsmodellen werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft erfolgreich sein. Wenn dieser Indikator der Einzige wäre, der uns zur Verfügung stünde, dann könnten wir eine Menge Unternehmen ausschließen, deren Aktien wir gar nicht erst kaufen, nur weil sie gerade von Experten in höchsten Tönen angepriesen werden, weil sie auf Jahreslisten stehen, weil deren Kurse gerade durch die Decke gehen oder weil sie besonders niedrige KGVs aufweisen.

 

Das ganze Gerede über Highflyer, bevorstehende Crashs, Bullenmärkte oder magere Jahre sind für Buy & Hold Investoren á la Buffett Klappern der Handwerker, also definitiv kein Grund eine Aktie zu kaufen oder nicht zu kaufen. Das Einzige, was beim Investieren in Aktien wirklich zählt, ist: gute Unternehmen von schlechten zu unterscheiden und die Geduld zu haben auf den richtigen Kaufzeitpunkt zu warten. So einfach ist das und doch so schwer. Ein gutes Aktienportfolio aufzubauen ist eine Herausforderung. Wer sich die Unternehmen, dessen Aktien man kauft, sorgsam aussucht, und dann diszipliniert und zielstrebig der Strategie Buy & Hold folgt ohne sie aufgrund von Expertengeschwätz jemals zu ändern oder in Frage zu stellen, demjenigen wird es genau wie den erfolgreichsten Investoren der Welt gelingen, eines Tages die Früchte seiner Arbeit zu ernten und reich werden.

Autor: Leon L. Bensch für aktienmitleon.de erstmals veröffentlicht am 29. April 2023

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